Mit den ökologischen Mindeststandards für die deutsche Film-, TV- und Video-on-Demand-Wirtschaft (VoD) hat der Arbeitskreis "Green Shooting" einen gemeinsamen Nenner geschaffen, auf den sich ein breites Bündnis aus Produktionsfirmen, Sendern und Plattformen geeinigt hat. Für die Einhaltung von grünen Best Practice-Maßnahmen wie eine verstärkte Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und umweltfreundlichen Fahrzeugen, den Verzicht auf Dieselgeneratoren, Kurzstreckenflüge und Einweggeschirr sowie die Erstellung einer CO2-Bilanz können die Produktionen das „Green Motion“-Siegel erhalten.
Ab dem 1. Januar 2023 können alle von Bund und Ländern geförderten Produktionen das grüne Label bekommen, wenn sie die Mindeststandards einhalten. Folgende Firmen und Filmförderungen wollen sich daran beteiligen: die Filmförderer BKM, FFF Bayern, Filmförderungsanstalt, Film- und Medienstiftung NRW, HessenFilm und Medien, Medienboard Berlin-Brandenburg, Mitteldeutsche Medienförderung, MFG Baden-Württemberg, MOIN Filmförderung, Nordmedia, MV Filmförderung; die Sender/Plattformen/VoD-Dienste ARD-Degeto, Bayerischer Rundfunk, Disney +, Mitteldeutscher Rundfunk, Netflix Deutschland, Norddeutscher Rundfunk, ProSiebenSat.1, RTL Deutschland, Rundfunk Berlin-Brandenburg, Sky Deutschland und Österreich, Südwestrundfunk, Westdeutscher Rundfunk, ZDF; die Produktionsfirmen Bavaria, Constantin Film, Studio Hamburg, UFA, we are era, Ziegler Film.
„Die Klimakrise ist eine der Überlebensfragen unserer Zeit, nur gemeinsam können wir ihr entgegentreten”, erklärt die Kulturstaatministerin Claudia Roth. „Das zieht sich durch alle Politikbereiche und Branchen, auch die Kultur- und die Filmwirtschaft. Deshalb gilt es, die Film- und Medienbranche auf ihrem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit zu unterstützen und dauerhafte Strukturen für eine nachhaltige Produktion von Bild und Ton zu etablieren. Gemeinsame und einheitliche ökologische Mindeststandards sind hierfür unerlässlich.“
Für die öffentlich-rechtlichen Sender, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind, gehört dazu auch der sorgfältige, nachhaltige Umgang mit den Ressourcen. „Ich störe mich immer ein bisschen an dem Wort Mindeststandards“, erklärt die ARD-Vorsitzende und rbb-Intendantin Patrica Schlesinger. „Mindeststandards sind das Mindeste. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns mit Mindeststandards nicht dem entgegenstemmen können, was in der Klimakrise auf uns und unsere Nachfahren zukommt.“ Grüne Produktion müsse Normalität werden. Inzwischen seien fast alle Sender dabei an Bord, auch wenn dies zunächst die Kosten erhöhe. „Wir werden das einsetzen“, versichert Patricia Schlesinger. „Es kostet zwischen ein und vier Prozent mehr pro Produktion. Aber die öffentlich-rechtlichen Sender werden auch daran gemessen, was sie sich für das Gemeinwohl leisten.
Zu den ersten grünen Best Practice-Maßnahmen, welche die ARD umgesetzt hat, gehört die Beschaffung von Ökostrom. Der Hessische Rundfunk hat für den gesamten Senderverbund sowie das ZDF für die Jahre 2022 bis 2024 einen Stromlieferantenvertrag ausgehandelt. Für das Beschaffungsvolumen haben alle Landesrundfunkanstalten sowie das ZDF ihre prognostizierten Stromverbräuche für die kommenden drei Jahre gemeldet: für alle Funkhäuser und Außenstudios, Standorte von Sendemasten und Rechenzentren. „Mit der Umstellung auf Ökostrom unterstützen ARD und ZDF die Umstellung auf erneuerbare Energien“, heißt es in der ARD-Presserklärung.
Doch nicht überall, wo Ökostrom drauf steht, wird auch Ökostrom geliefert bzw. gefördert. Bei der europaweiten Ausschreibung für eine nachhaltige Energieversorgung musste der hr auf den wirtschaftlich günstigsten Anbieter setzen, der für das Jahr 2022 erneuerbare Energie für einen geringen Aufschlag von 0,00066 ct/kWh offeriert. Der Grünstrom stammt zu 100 Prozent aus zertifizierten Anlagen für erneuerbare Energien, laut Herkunftsnachweis aus Wasserkraft aus Skandinavien oder aus dem alpinen Raum.
Der Erwerb der sogenannten Herkunftsnachweise ermöglicht es Stromanbietern auf legale Art und Weise, Graustrom einzukaufen und als Grünstrom zu verkaufen. Graustrom besteht anteilig aus Kohle-, Gas- und Ökostrom und entspricht dem Strommix, der in Deutschland aus der Steckdose kommt. Um Graustrom als Grünstrom vermarkten zu können, erwirbt der Stromanbieter beispielsweise einen Herkunftsnachweis von bereits bestehenden Anlagen im Ausland wie beispielsweise einem Wasserkraftwerk in Norwegen. Mit einem sogenannten European Energy Certificate System (EECS-GoO), das frei in Europa gehandelt wird, darf der Strom als Grünstrom gekennzeichnet an die Kunden verkauft werden.
Dies ist gesetzlich im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) §42 geregelt. Danach sind Stromlieferanten gesetzlich dazu verpflichtet, die Zusammensetzung des Stroms auszuweisen, mit dem ihre Endkunden beliefert haben. Herkunftsnachweise von ungefördertem Strom aus erneuerbaren Energien dürfen getrennt von der Stromlieferung gehandelt werden. Deutschland importiert die meisten Herkunftsnachweise, weil die Nachfrage nach Herkunftsnachweisen innerdeutsch nicht gedeckt werden kann.
Untersuchungen zufolge entscheiden sich Verbraucher in der Regel für einen Ökostromtarif, um dadurch die Stromproduktion durch erneuerbare Energien zu fördern und den weiteren Ausbau von erneuerbaren Energien-Anlagen zu ermöglichen. Der größte Teil der europaweit gehandelten Herkunftsnachweise stammt aus teilweise schon lange bestehenden und abgeschriebenen Wasserkraftwerken in Norwegen, so dass der Bezug des Ökostromtarifs nicht die Energiewende in Deutschland fördert. In einer vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebenen Marktanalyse zu Glaubwürdigkeit und Transparenz auf dem Ökostrommarkt wird der Einkauf von Graustrom, der durch den Erwerb von Herkunftsnachweisen grün gefärbt wird, als „Greenwashing“ kritisiert.
Zu den ökologischen Mindeststandards für deutsche Kino-, TV- und Online-/ VoD-Produktionen, die der Arbeitskreis „Green Shooting“ definiert hat, gehört der Einsatz von Ökostrom. „Der Wechsel zu zertifiziertem Ökostrom ist eine der schnellsten und einfachsten Methoden, um CO2-Emissionen drastisch zu senken“, lautet die Definition in den Mindeststandards. Eine Differenzierung zwischen mit einem Herkunftsnachweis zertifizierten Ökostrom und einem Ökostromlabel, das beispielsweise einen kontinuierlichen Zubau von Anlagen zur erneuerbaren Stromerzeugung beinhaltet, erfolgt nicht. Wäre dies ein Beschaffungskriterium, an dem sich der hr bei einer europaweiten Ausschreibung orientieren muss, hätte kein Grünstrom mit Herkunftsnachweisen aus skandinavischer Wasserkraft berücksichtigt werden müssen. Ein Vertrag mit einem regionalen Ökostromanbieter hätte dazu beigetragen, die Energiewende in Deutschland tatsächlich ein Stück weiter voranzubringen.
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