Rein in die Richtlinien!

Die Berlinale wirbt nicht nur mit Programmen und Panels für Ökologie und Nachhaltigkeit, sondern optimiert auch ihre eigene CO2-Bilanz. Festival-Direktor Dieter Kosslick über Biokost, Bahnfahren und eine wachsende Bewusstseinsbildung.

Wie schlägt sich das Engagement der Berlinale im Bereich Ökologie und Nachhaltigkeit in der CO2-Bilanz nieder?
Wir haben schon vor einigen Jahren die Pressefächer und die damit verbundene Papierverschwendung abgeschafft. Die Printpublikationen wurden reduziert oder durch digitale Formate ersetzt. Seit 2011 ist der Energieversorger ENTEGA, der seinen Strom ohne Kernkraft und Co2-frei produziert, Co-Partner der Berlinale.
Intern haben wir im letzten Jahr ein Umweltmanagementsystem nach EMAS (Eco Management and Audit Scheme) eingeführt, damit unsere Arbeitsweise ökologischer wird.

Welche Maßnahmen gibt es beim Festival?
Wir setzen bei den Merchandising-Artikeln auf Nachhaltigkeit und verzichten bei den Buffets weitgehend auf Fleisch. Bei Lebensmitteln achten wir auf Zutaten aus regionalem, biologischem und fairem Anbau. Unser Wasserlieferanten Viva Con Agua leitet mindestens 60% des Erlöses an Trinkwasserprojekte der Welthungerhilfe weiter.
Unser Hauptpartner BMW setzt effiziente Fahrzeuge mit Hybridtechnologie ein und der Fahrservice wird zum umweltfreundlichen Fahren geschult.
Wir versuchen auch, die anreisenden Festivalbesucher zu ökologischem Handeln zu motivieren. Sie können auf der Berlinale-Homepage ihre anreisebedingten CO2-Emissionen berechnen und durch den Erwerb eines Zertifikats kompensieren. Die Deutsche Bahn bietet für 99,- Euro eine Hin- und Rückfahrt zur Berlinale an.
Dank dieser Bemühungen ist unser CO2-Ausstoß bereits gesunken.

Hat die Kinodigitalisierung ökologisch einen positiven Effekt?
Ja, ökologisch betrachtet ist die Kinodigitalisierung vorteilhaft. Es werden nicht nur immense Filmmaterial- und Produktionskosten gespart, sondern auch jene Kosten für die Vervielfältigung von herkömmlichen Filmrollen. Durch die Digitalisierung können Filme sehr schnell weltweit verbreitet werden, was beim Versand zu geringeren CO2-Emissionen führt.
Dabei muss aber auch bedacht werden, dass die Nutzung großer digitaler Speicherkapazitäten einen entsprechenden Energieverbrauch verursacht.

Die Reihe Kulinarisches Kino verbindet Ökologie und Nachhaltigkeit mit Genuss und gutem Essen. Gehört das Klischee des Müsli essenden Ökos der Vergangenheit an?
Ja, dieses fragwürdige Klischee ist Vergangenheit und wurde von dem Klischee ersetzt, Müsli essende Ökos zu einem Klischee zu degradieren. In der gesamten Gesellschaft findet eine Bewusstseinsbildung zur nachhaltigen Ernährung statt, die Verbraucher werden immer kritischer – eine Folge der vielen Skandale in der Nahrungsmittelindustrie. Wir versuchen, diese Bewusstseinsbildung im Kulinarischen Kino mit Filmen zu unterstützen.

Brauchen auch die deutschen Filmproduzenten Nachhilfe in punkto Nachhaltigkeit?
Das Thema Nachhaltigkeit ist bei der Berlinale schon länger gegenwärtig. Im Co-Production-Market 2012 wurde bei der Veranstaltung Green Productions über Ökologie in der Filmbranche gesprochen und beim Talent Campus-Panel Greening the Film Industry haben Filmschaffende darüber diskutiert, wie sich die wirtschaftliche und die ökologische Seite einer Filmproduktion verbinden lässt.
Somit findet analog zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung auch in der Filmbranche ein Prozess zur Bewusstseinsbildung statt.

Sollten die Filmförderungssysteme zugunsten einer größeren Nachaltigkeit modifiziert werden?
Ja, selbstverständlich. Wer öffentliches Geld in Anspruch nimmt, sollte auch öffentliche Verantwortung übernehmen. Rein in die Richtlinien! Freiwillig passiert nur selten was.

Foto: ©Internationale Filmfestspiele Berlin