Teflon und der Tod durch Trinkwasser

Nach der Deutschlandpremiere beim Filmfest Hamburg 2020 startet Todd Haynes packendes Kinodrama Vergiftete Wahrheit mit Mark Ruffalo, Anne Hathaway und Tim Robbins in den Hauptrollen bundesweit in die deutschen Kinos. In diesem spannenden Wirtschaftskrimi erzählt der amerikanische Independent-Regisseur die wahre Geschichte des amerikanischen Anwalts Rob Bilott, der einen der größten Umweltskandale aller Zeiten aufgedeckt hat. Für seine Verdienste ist der Umweltrechtsexperte 2017 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden.

 

 

Ärgerlich stürmt eine älterer Farmer aus West Virginia in eine schicke Anwaltskanzlei in Cincinnati und lädt dort kistenweise sein Beweismaterial im Konferenzraum ab. Auf den VHS-Bändern sind verstörende Aufnahmen von kranken Kühen zu sehen: Tiere mit schwarzen Zähne, tief eingesunkenen rote Augen und verkrüppelten Hufe, die elendig verendet sind. Die Farmer haben den Verdacht, dass die angrenzenden Mülldeponie des Chemiegiganten DuPont in Zusammenhang mit dem reihenweisen Tod ihrer Tiere steht. Die schockierenden Indizien überzeugen schließlich den Umweltrechtsexperten, der bis dahin Großkonzerne vertreten hat. Damit beginnt für den unerschrockenen Anwalt ein David gegen Goliath-Kampf gegen den milliardenschweren Teflon-Konzern, der ihn seit über 20 Jahren beschäftigt.

 

Fest entschlossen, die Ursache für das Massensterben der Tiere zu finden, reicht er beim US-Bundesgericht eine Klage gegen den Teflon-Hersteller ein. Monatelang sichtet er kistenweise Dokumente und durchforstet 110.000 Seiten mit interner Korrespondenz, medizinischen Berichten und vertraulichen Unterlagen aus fünfzig Jahren Firmengeschichte. Dabei findet er heraus, dass der Chemiekonzern die Schädlichkeit der Perfluoroktansäure (PFOA) selbst nachgewiesen hat. Trotz der tödlichen Wirkung wurden 7.100 Tonnen mit PFOA angereicherten Schlamm auf der Deponie verklappt, wo das Gift über das Abwasser in die Umgebung gelangte. Eine Studie belegt, dass fast 70.000 Anwohner jahrzehntelang kontaminiertes Trinkwasser getrunken haben. Viele von ihnen sind an Krebs erkrankt oder – wie auch der Farmer – gestorben. Inzwischen ist der Chemiekonzern dafür kräftig zur Kasse gebeten worden. Für 3.535 Fälle musste DuPont eine Entschädigungssumme von 670,7 Millionen US-Dollar zahlen.

 

Für die Produktion von Vergiftete Wahrheit zeichnen Participant, Willi Hill und Killer Content verantwortlich. Participant hat eine Kampagne gestartet, um die Öffentlichkeit über die Gefahren langlebiger, schwer abbaubarer Chemikalien aufzuklären. „Unsere Schutzmaßnahmen für den Umgang mit Wasser, Luft, bedrohten Arten und dem Klima werden gerade von der Politik massiv abgebaut“, sagt Haynes.

 

 

Der Hauptdarsteller Mark Ruffalo, der auch als Produzent an dem Umwelt-Thriller beteiligt ist, war im Februar im Europa-Parlament zu Gast und hat die Politiker auf die Gefährlichkeit von PFAS hingewiesen. Inzwischen arbeiten die Chemikalienbehörden Deutschlands, Dänemarks, der Niederlande, Norwegens und Schwedens im Rahmen der Europäischen Chemikalienverordnung REACH an einem Vorschlag für ein umfassendes  PFAS-Verbot für alle Verwendungen dieser Stoffe, die nicht als "gesamtgesellschaftlich unabdingbar" gelten.

 

Im Rahmen der Deutschlandpremiere von Todd Haynes Kinofilm Vergiftete Wahrheit luden Tobis Film und das Filmfest Hamburg im Anschluss an die Vorführung zu der Podiumsdiskussion “Keine Fiktion: PFAS, die ‘ewigen Chemikalien’ aus dem Film Vergiftete Wahrheit bedrohen auch unsere Gesundheit”. Zu den Diskussionsteilnehmern gehörten die Chemieexperten Manfred Santen von Greenpeace, Ninja Reineke von Chem Trust Europe, Ulrike Kallee vom BUND und Christoph Schulte vom Umweltbundesamt, zu deren Arbeitsschwerpunkten der Umgang mit Problemstoffen gehört. Moderiert wurde die Diskussion von der Green Film Shooting-Herausgeberin Birgit Heidsiek.

 

 

Bei diesem Podiumsgespräch haben die Experten erläutert, welche Folgen für Menschen und Umwelt mit diesen industriell hergestellten Substanzen verbunden sind. Aufgrund ihrer fett-, wasser- und schmutzabweisenden Eigenschaften werden die per- und polyfluorierten Chemikalien (PFAS) weltweit in zahlreichen Alltagsprodukten wie Kochgeschirr, Outdoor-Textilien, aber auch in Polstermöbeln, Kosmetika und Lebensmittelverpackungen eingesetzt. In der EU ist es seit dem 4. Juli 2020 verboten, Perfluoroctansäure (PFOA) zu verwenden, doch für mehr als 4.700 weitere besorgniserregende Substanzen dieser Stoffgruppe gibt es noch keine chemikalienrechtlichen Verbote.

 

Im Rahmen der neuen EU-Trinkwasserrichtlinie sollen erstmals  Grenzwerte für 20 per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) erhoben werden, da diese als besorgniserregende Substanzen weder in der Umwelt noch im menschlichen Körper abgebaut werden können. Die neue europäische Richtlinie sieht vor, verbesserte Normen für die Sicherheit von Wasser zu schaffen, die im Einklang mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen und auf den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation basieren. In der der gesamten EU soll eine risikobasierte Bewertung der Sauberkeit des Wassers erfolgen, damit sich mögliche Risiken für Wasserquellen bereits auf der Versorgungsebene ermitteln lassen.

Fotos/Videos: © Tobis Film/Filmfest Hamburg

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