Das Zeitalter der grünen Vernetzung

Bewährte Beispiele für grüne Produktionen, der Bedarf nach Training, umweltfreundlichen Produktionsmitteln sowie finanzieller Unterstützung gehören zu den Themen, die von Filmschaffenden in ganz Europa diskutiert werden. Im Herbst 2019 war Green Film Shooting mit Vorträgen und Moderationen auf diversen internationalen Konferenzen und Symposien an verschiedenen Orten präsent. Die Voraussetzungen sind zwar in jedem Land unterschiedlich, aber fast überall gibt es inzwischen eine zunehmende Anzahl an Filmschaffenden, die ihre Filme gerne umweltfreundlicher produzieren möchten.

 

Die Bestrebungen, um den CO2-Fußabdruck von  Produktionen zu senken, zielen vor allem auf die Vorbereitungs- und Drehphase ab, während die Postproduktion oftmals vernachlässigt wird. Die Entscheidungen in der Nachbearbeitungsphase sollten auch in Hinblick auf Nachhaltigkeit betrachtet werden. "Für unseren letzent Tatort musste ich zwölf Mal  nach Berlin fliegen, weil die Audio-Postproduktion dort wesentlich günstiger ist", berichtete Michael Imboden, Produktionsleiter bei der Schweizer Firma Triluna Film, bei der Diskussionsrunde Klimaschutz am Set, die  im Rahmen des 15. Zurich Film Festival vom Industry Hub veranstaltet wurde. Insgesamt entfielen im Rahmen dieser Produktion mehr als vierzig Flüge auf die Audio-Postproduktion. "Es ist immer der Produzent, der für solche Entscheidungen verantwortlich ist", versicherte Michael Imboden. "Letztendlich geht es immer ums Geld." Die Produktionen zieht es dorthin, wo sie finanzielle Mittel bekommen oder den günstigen Preis, wenn die Qualität stimmt.

 

 

Es erfordert sorgfältige Planung, um die CO2-Emissionen zu senken, die entstehen, wenn das Filmteam lange Anfahrten zum Set hat und das Equipment in Lastwagen dort hinbringen muss. Der Planungsprozess beginnt bereits in der Drehbuchphase und setzt sich  mit der Auswahl der Drehorte fort. Dies war ein Thema beim Global Green Media Production Network in London, zu dem Pietari Kääpä, Professor an der Warwick Universität und Hunter Vaughan, Professor an der Universität in Colorado Boulder eingeladen hatten. Beim Dreh des belgischen Krimi-Thrillers Gangsta  in Antwerpen, stellte die Produktion ihre Lastfahrzeuge über Nacht auf einem bewachten Parkplatz ab, der sich in der Nähe ihres Motivs befand und brachte verschiedene Crewmitglieder in dieser Gegend  unter.  “Normalerweise würde jedes Teammitglied zwischen zuhause, dem Depot, wo die Laster abgestellt werden und dem Drehort hin- und herpendeln”, erklärte Tim Wagendorp, Nachhaltigkeits-Beauftragter bei der Flämischen Filmförderung. “Durch die Unterbringungen der Menschen und Fahrzeuge in der Nähe des Sets konnten die Produktion erhebliche Fahrstrecken sparen.” Dank dieser logistischen Optimierung  wurden rund 19,000 km an Transportwegen gespart, wodurch die Kosten um knapp 10,000 Euro und die CO2-Emissionen um drei Tonnen gesenkt wurden.

 

 

Bei dem zweitägigen Symposium im Stanley Building, dem ehemaligen Hauptquartier von Google, kamen Wissenschaftler, Medienschaffende, NGOs, Politikvertreter und Studierende aus Europa, den USA and Australien zusammen, um unterschiedliche Ansätze zu präsentieren, wie sich grüne Produktionspraktiken in der Film- und  Fernsehbranche vermitteln lassen. Zu den Teilnehmern gehörten Josefine Madsen und Anne Lund, die in Dänemark die grüne Beratungsfirma Jordnær Creative gegründet haben. Die Start up-Firma will dänische Produzenten hinsichtlich  eines verantwortungsvollen Umgangs mit Ressourcen und umweltfreundlicher Produktionsmethoden beraten.

 

 

Kommunikation ist ein zentrales Element bei der grünen Produktion. Dabei geht es um wesentlich mehr, als nur auf Plastikwasserflaschen zu verzichten. Dies wurde auch beim Sustainability and Green Film Making-Panel deutlich, das im Rahmen der Responsible Production-Konferenz in Dublin stattfand. Als Gastgeber fungierte das irische Trainingszentrum Screen Skills Ireland, das den irischen Produzenten den CO2-Rechner von BAFTA zur Verfügung stellt, der bereits in der britischen Fernsehproduktionsbranche  zum Einsatz kommt. Der Rechner soll den Produzenten die Umweltauswirkungen ihrer Produktionen vor Augen führen. Wie diverse Produktionen bereits bewiesen haben, ist umweltfreundliche Produktion nicht teurer.  Nachhaltige Elemente wie kreative Wiederverwendungsstrategien können sogar zu einer Kosteneinsparung führen. In Irland ist geplant, die an die Sektion 481 gekoppelten Steuerentlastungen künftig mit neuen Anforderungen  zu verbinden. Danach sollen die Antragsteller verpflichtet werden, Konzepte zur weiteren Qualifizierung sowie für Initiativen zur Förderung von Diversität, Inklusion, Geschlechtergerechtigkeit und Nachhaltigkeit vorzulegen, um die Steuerleichterungen in Anspruch nehmen zu können.

 

In Latvia ist bereits eine erste nachhaltige Filmproduktion entstanden. Beim Creative Europe MEDIA-Seminar in Riga präsentierte das Produktionsteam vom Juris Podnieks Studio mit Jelgava ’94 den ersten Film in Lettland, der nachhaltig  produziert worden ist. Dazu inspiriert worden, den ersten grünen Film in Lettland zu produzieren, sind die Produzentinnen Antra Cilinska und Elizabete Palasiosaby durch Green Film Shooting’s Shades of Green-Paneldiskussion, die 2015 im Rahmen  der Berlinale stattfand.

 

“Wir habe uns Ziele gesetzt, die wie ereichen konnten", erklärte die Produzentin Elizabete Palasiosa, die beim Dreh als Green Runner fungierte. Eine Zielsetzung war, den Abfall soweit wie möglich zu reduzieren. Für die Ausstattung verwendete das Filmteam gebrauchte Deko-Artikel. Beim Catering wurden Einweggeschirr und Wasserflaschen aus Plastik verbannt. Um der Lebensmittelverschwendung Einhalt zu gebieten, wurde  weniger Essen bestellt. Statt den üblicherweise kalkulierten Portionen wurde das Verhältnis von 100 Prozent auf 85 Prozent reduziert, was gut funktionierte. “Das ist alles eine Frage der Haltung”, betonte Antra Cilinska. “Nachhaltigkeit ist ein Prozess.” Zusätzlich zu den Kommunikationsmaßnahmen im frühen Produktionsstadium wurden während des 27-tägigen Drehs von Jelgava ’94 zwei Vorträge zu Nachhaltigkeit am Set gehalten. Außerdem erhielten die Schauspieler und Teammitglieder täglich einen grünen Tages-Tipp. Insgesamt sparte die Produktion 15.000 kWh Strom, 1.576 l Diesel und über 4.180 Plastikwasserflaschen ein.  Jelgava ’94 ist als erste lettische Filmproduktion mit dem Grünen Drehpass der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein ausgezeichnet worden.

 

Als Green Film Shooting-Delegierte in Russland und Finnland unterwegs war Sustainability Consultant Katja Schwarz, die beim 9. Barents Ecology Film Festival in Petrozavodsk und Joensuu einen Green-Filmmaking-Workshop auf Englisch und Russisch hielt, an dem neben in- und ausländischen Regisseuren auch der amerikanische Theaterdirektor Timothy Nutter teilnahm. Unterstützt wurde sie dabei von dem Ökoaktivisten Michail Gusatov, einem Mitorganisator des Barents Ecology Film Festivals. Er stellte das neue Abfallmanagementsystem vor, das in der russischen Republik Karelien eingeführt werden soll.  Bisher landen in Russland 95 % des Abfalls auf Mülldeponien. Mit der Aufstellung von Trennmüllbehältern plant Russland seine Recyclingquote auf bis zu 90 % zu erhöhen. Während der Biomüll zu Biogas verabeitet werden oder zum Düngen auf Feldern  dienen kann, lassen sich andere Ressourcen wiederverwerten und als Baugrund für Eisenbahnschienen einsetzen. Das Thema Abfall behandelt auch die italienische Doku La grande monnezza (Life by the Landfill) von Chiara Bellini, beim Festival Premiere feierte.

 

Der ökonomische Umgang mit Ressourcen von der Vorproduktion bis hin zur Auswertung war ein Thema beim Beyond the Green Shooting Card-Symposium in Barcelona, das im Rahmen Barcelona Independent Cinema Festival l’Alternativa stattfand. Bei dieser grünen Konferenz diskutierten Vertreter von Produktionsfirmen, Filmfestivals, Verleihunternehmen, Vertreter von Film Commissions und Filmförderungen über  einen Kriterienkatalog für eine nachhaltige Filmproduktion und dessen Umsetzung.

 

 

Das up-and-coming Film Festival Hannover, das als  Event für Schüler und Studetenten ins Leben gerufen worden ist, veranstaltete zum ersten Mal einen Melting Pot , welcher der grünen Produktion gewidmet war. Paul Bullinger, der sein Produktionshandwerk an der Konrad Wolf Universität in Potsdam-Babelsberg gelernt hat, gab Einblick in seine grüne Produktionserfahrung, während Petra Sommer das Nachhaltigkeitskonzept der Hanseatischen Materialverwaltung vorstellte. In diesem Hamburger Fundus werden Kulissen und Dekomaterial von Film- und TV-Produktionen gesammelt, um in anderen Produktionen wieder eingesetzt werden können. Die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft ist auch im Filmproduktionsbereich nötig. Das erfordert, bewährte Konzepte zu überdenken und effeizient zu planen, zu planen und zu planen. Denn die Welt lässt sich nicht dadurch retten, dass engagierte Aktivisten Unterschriften und Logos auf digitalen Plattformen  einsammeln. Wir brauchen echte Taten – und zwar hier und jetzt 2020!

 

Fotos: © Industry Hub/Zurich Film Festival, Jordnær Creative, Screen Skills Ireland, MEDIA Creative Desk Lavia, Barents Ecology Film Festival, GFS

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