Grüne Neuigkeiten aus Cannes

“Nachhaltig zu handeln ist keine Option mehr, sondern eine Notwendigkeit”, betonte Nevina Satta, Leiterin der Sardegna Film Foundation bei der Paneldiskussion Sustainability in Vision, die im Rahmen der  Internationalen Filmfestspiele Cannes im Majestic Hotel stattfand.  Veranstaltet wurde das Event, bei dem diverse Experten aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien ihre Erfahrungen mit grüner Film- und Fernsehrprduktion sowie grünem Kino austauschten, von Green Film Shooting und Cine-Regio Green in Zusammenarbeit mit der Italian Film Commissions und Cinecittà Luce. "Mit Cine-Regio Green verfügen wir über ein europäisches Netzwerk, in dem die Vertreter  aus den verschiedenen Regionen ihre neuen Projekte und Entwicklungen präsentieren", erläutert Charlotte Applegren, Generalsekretärin von Cine-Regio. "Wir freuen uns über eine wachsende Anzahl von Mitgliedern in unsere grünen Arbeitsgruppe."

 

 
Luca Ferrario, Projektleiter beim Trentino Film Fund, stellte die neue Initiative T- Green Film vor, die im September an den Start gehen soll. Der Trentino Film Fund hat ein neues Programm entwickelt, das zum Einsatz umweltfreundlicher Maßnahmen  in der Filmbranche anregen soll. Produktionfirmen, die in Trentino Filme oder TV-Serien drehen, können sich dabei an einem grünen Film-Ratingsystem orientieren, das ihnen in jeder Produktionphase nachhaltige Lösungen bietet. Die Filmförderung gibt den Produktionen finanzielle Anreize für ihren grünen Handlungen. “Die Firmen können in der Antragsphase selbst entscheiden, wie viele grüne Punkte  sie erreichen möchten", erläutert Luca Ferrario.

 

set_in_Val_di_Fassa-1Zu den grünen Maßnahmen gehören Energie und Transport, die Auswahl von Materialien sowie Catering. Die Umsetzung der grünen Aktionen wird von der Umweltschutzagentur m APPA (Agenzia Provinciale per la Protezione dell’Ambiente) in den verschiedenen Produktionsstadien begleitet. Sind die Kriterien des Nachhaltigkeits-Programms erfüllt, zahlt der Trentino Film Fund eine entsprechende Prämie.

 

“Das Programm von Trentino ist in Italien einzigartig”, kommentiert Nevina Satta. “Sie bringen dort bestehende Einrichtungen mit der Filmförderung zusammen, um gemeinsam eine Zertifizierung vorzunehmen. Das ist ein perfektes Best Practice-Beispiel. Es ist das erste Mal, dass es eine Kooperation dieser Art mit der Medienbranche gibt." Das ist ein großer Fortschritt, weil dies auch von den öffentlichen Institutionen in den anderen Gebieten wahrgenommen wird.  In Italien hat Nachhaltigkeit Tradition, weil das ein ganz zentrales Element für die Tourismusbranche ist. "Umweltschutz gehört für uns zu den Grundprinzipien."

 

workshop for children on sustainability, Time in Jazz greenDie Sardegna Film Foundation hat das Heroes 2020 Project initiert, das Filme unterstützt, die sowohl nachhaltige Themen behandeln als auch bei der Produktion grünen Richtlinien folgen. Bisher hat die Förderung schon 40 Kurzfilme und Web-Serien unterstützt. Darüber hinaus gibt es ein Trainings-programm für Kinder. “Wir bilden sie zu grünen Filmmachern aus”, berichtet Nevina Satta.
Trainingsmaßmnahmen und Werkzeuge für grüne Filmemacher bietet auch das franzöische Konsortium Ecoprod an, das eine neue Version seines CO2-Rechners  Carbon Clap entwickelt hat. ”Wir helfen den Filmcrews dabei, die grünen Maßnahmen praktisch umzusetzen”, unterstreicht Joanna Gallardo, die als Beraterin für Ecoprod tätig ist. Darüber hinaus hat die Organisation die Ecoprod Charta aufgestellt. Wir bringen ganz verschiedene Firmen aus dem Medienbereich zusammen. Wir möchten auch die Studios, Postproduktionsfirmen und Dienstleister zum grünen Handeln motivieren." In Frankreich werden solche Maßnahmen im Rahmen eines Programms  beim CNC gefördert, das über ein jährliches Budgetvon € 6 Millionen verfügt, um innovative Maßnahmen der  Film- und Fernsehdienstleister zu unterstützen.

 

Die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH) hat es sich bereits 2011 zur Aufgabe gemacht, die Film- und Fernsehbranche in ganz Deutschland zu nachhaltigem Handeln anzuregen. “Wir haben bereits  rund 70 Grüne Drehpässe vergeben”, berichtet Christiane Dopp von der Film Commission Hamburg. Die Organisation hat außerdem eine Zuammenarbeit mit der örtlichen Filmschule gestartet, um beim filmischen Nachwuchs mit dem grünen Training anzusetzen. Dieser Ansatz ist so erfolgreich, dass die belgische Filmförderung  VAF dies nun auch umsetzen will.

 

Training  wird auch in Großbritannien groß geschrieben. Die Nachhaltigkeits-Seminare der BAFTA sind  von de Ffilm Cymru Wales adaptiert worden, wie Förderchefin  Pauline Burt berichtet. “Wir müssen die Emmissionen senken. Aber messen allein reicht nicht aus", versichert Richard Smith, Nachhaltigkeitsbeauftrager der BBC. “Wir brauchen einen Aktionsplan.” Zu diesem Zweck hat BAFTA das Zertifizierungssystem albert+ entwickelt, das die Produktionen mit Punkten für ihre grünen Handlungen belohnt. Die  albert+-Auszeichnung ist in zahlreichen Programmen der BBC, ITV, Sky und Channel Four inzwischen ein  fester Bestandteil in den Credits. “Nun trägt mit der Soap EastEnders auch das beliebteste Programm der BBC das grüne Markenzeichen", sagt Richard Smith. "Es blicken praktisch eine Millionen Augenpaare jede Woche auf unser grüne Label." Für den Nachhaltigkeitsbeauftragten der BBC und seine Kollegen ist es eine Herausforderung, enger mit dem Publikum zusammenzuarbeiten, um ihnen die grüne Mission nährzubringen. “Als öffentlich-rechtlicher Sender ist es unsere moralische Verpflichtung, dass wir selbst aktiv werden, um den Klimawandel zu bekämpfen.”

 

Gr6_328c KopieDies ist eine Philosophie, die auch von den Bavaria Filmstudios in München verfolgt wird. Auf dem 30 Hektar großen Studiogelände befinden sich zwölf Ateliers. “Unser Studio ist seit drei Jahren klimaneutral”, unterstreicht Ina Hoessler, “Wir haben die Umstellung in zwei Stufen vorgenommen. Unsere gesamte Wärmeversorgung ist auf geothemische  Energie umgestellt worden. Im zweiten Schritt haben wir erneuerbare Energien, vor allem reginerative Wasserkraft eingesetzt." Mit der dramatischen Senkung seines CO2-Fußabdrucks setzt Bavaria Film neue Umweltstandards im internationalen Studiobereich. “Wir haben unseren ökologischen Fußabdruck im Zeitraum von 201 bis 2014 um rund 97.5 Prozent gesenkt."

 

Der schwedische Herstellungsleiter Ronny Fritsche versuicht am Set so nachhaltig wie möglich zu agieren, aber es ist immer noch schwierig, zum Beispiel Elektro-Autos für eine Prododuktion zu finden. “Das Wichtigste ist, dass wir bei den Autovermietungsfirmen danach fragen." Die Dienstleister benötigen eine größere Nachfrage nach nachhaltigen Produkten wie Hybridautos oder LED-Scheinwerfern, um diese auf dem Markt anzubieten.

 

diewinzlinge_szenenbild_04In Frankreich ist die Latte in punkto nachhaltige Produktion mit dem 3-D Animations/ Live- Actionabenteuer  Die Winzlinge- Operation Zuckerdose ein erhebliches Stück höher gehängt worden. Produziert worden ist der grüne Trick- und Realfilm von der Pariser Produktionsfirma Futurikon, welche die animierten Insekten komplett im Rechner kreiert hat, während die Filmemacher Thomas Szabo und Hélène Giraud die realen Hintergründe im Mercantour National Park in der südfranzösischen Region Provence-Alps-Cote d’Azur (PACA) aufgenommen haben.

 

Die komplette Filmcrew war dort ganz in der Nähe untergebracht, so dass sie zu Fuß oder mit dem Rad zum Set kommen konnten. “Unser gesamtes Filmteam hat schnell begriffen, dass es in einemNaturschutzpark wichtig ist, verantwortungsvoll mit der Umgebung umzugehen", sagt die französische Produzentin Mylène Ollivier. Die strömenden Bäche und grünen Wiesen wurden möglichst nur mit natürlichem Licht gedreht. Die Beleuchter haben statt Scheinwerfern Reflektoren eingesetzt. Als Produktionsbüro diente ein Campingwagen, der mit Solarpanels ausgerüstet war, um Energie  für einen Generator zu erzeugen. “Bei der Produktion von Minuscule 2 werden wir noch weitere Maßnahmen dieser Art  einsetzen.”

 

Mit umweltfreundlichen Lösungen können Produzenen sogar Geld sparen. "Die nachhaltige Ökonomie gewinnt einen immer höheren Stellenwert", unterstreicht Nevina Satta. “Sie entwickelt ein großes Potenzial für neue Investitionen. Dabei spielt auch die Reputation kleiner und roßer Unternehmen eine wichtige Schlüsselrolle."
Kinologo

Dies ist auch ein guter Grund für Kinos, grün zu werden. Kinos, die Filme zu ökologischen Themen zeigen, besitzen beim Publikum eine größere Glaubwürdigkeit, wenn auch das Kino selbst möglichst nachhaltig operiert. Das bedeutet, die Kinos mit Ökostrom zu betreiben, das Gebäude energieeffizient umzurüsten, aber auch nachhaltige Produkte an der Concession-Theke anzubieten und Mülltrennung vorzunehmen. All diese Maßnahmen sind Bestandteil eines grünen Qualitätslabels, das Green Film Shooting entwickelt und  in seiner aktuellen Ausgabe 2016 vorgestellt hat. Das grüne Siegel wird an Kinos verliehen, die diesen grünen Regeln folgen.

 

Das grüne Kino war auch eines der Hauptthemen auf der Jahresversammlung des  Internationales Vebands der Arthouse- und Filmkunstkinos (CICAE) in Cannes. Der Vorstand hat dort grünes Licht gegeben, Werkzeige zu entwickeln, welche den Kinos bei der Umsetzung grüner Maßnahmen untzerstützen sollen. Dazu gehört ein grünes  Handbuch für die Kinos sowie Trainingskurse für angehende Kinobetreiber beim  CICAE-Workshop, der im Rahmen der Internationalen Filmfestspiele in Venice statfindet. Zudem ist geplant, das grüne Kinosiegel von Green Film Shooting gemeinsam weiter zu entwickeln.

 

“Nachhaltigkeit wird für uns alle immer wichtiger”, konstatiert der deutsche Kinobetreiber Christian Bräuer, Vorstand der AG Kino und Aufsichtsratmitglied der CICAE. Vor allem Arthouse-Kinos zeigen viele Documentarfilme, die sich mit Themen wie dem Klimawandel auseinandersetzen. “Wir besitzen eine Verantwortung für unseren Planeten und unsere Gesellschaft”, betont der Kinobetreiber. “Unser Unternehmen bezieht schon seit einigen Jahren Ökostrom und wir versuchen das Publikum davon zu überzeugen, das auch zu tun.” In Deutschland hat die AG Kino mit verschiedenen Ökostrom-Anbietern günstigere Preiskonditionen für ihre Mitglieder ausgehandelt. “Das ist eine Win-Win-Situation für beide Seiten."

 

 

Mallorca-KinoAls der spanische Kinobetreiber Pedro Barbadillo, der ebenfalls dem Vorstand der CICAE angehört, das CineCiutat  auf Mallorca wieder eröffnete, hat er den ökologischen Fußabdruck  des Kinos errechnet. Wenn das Kino mit seinen vier Sälen Elektrizität aus fossilen Brennstoffen verwendet, würde das Kino einen Fußabdruck von 2.500 Tonnen CO2 pro Jahr generieren. Der Kinobetreiber entschied, auf erneuerbare Energien umzustellen. “Es ist wichtig, dass die Filme grün produziert werden, aber auch die Kinos am Ende der Wertschhöpfungskette dazu beitragen”, erklärt Pedro Barbadillo. “Die Bedingungen in den verschiedenen Ländern sind sehr unterschiedlich”, ergänzt Christian Bräuer. “Wir müssen überzeugende Lösungen finden, damit immer mehr Kinos nachziehen.”

 

In dieser Hinsicht ist die Situation mit der Produktionsbranche vergleichbar. Es ist wichtig, ein Bewustsein zu schaffen und den Branchenvertretern die entsprechenden Werkzeuge und Trainingsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Wenn sich mit diesen Maßnahmen sogar Kosten sparen lassen, werden sie auch eingesetzt. “Der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass wir Geld sparen, wenn wir weniger Energie verbrauchen, die vom Generator erzeugt wird bzw. aus dem Festnetz kommt oder weniger Benzin für unser Auto benötigen ", resümiert Richard Smith. "Genauso einfach ist das."

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert